Vet facts - Was verrät uns der Eiter?

Eiter

Kühe sind einfach faszinierend. Das mit dem Wiederkäuen ist eine supercoole Sache. Aber wenn man überlegt, dass ein Organ von einem Meter Länge und 10 Kilo Gewicht sich innerhalb von 3 Wochen nach der Kalbung so zurückbildet, dass es nur noch ein Kilo wiegt, kommt man auch ins Staunen. Die Gebärmutter, der Tragsack, ein riesiger Muskel, und einer der stärksten.

Zur Kalbung werden (hormonell gesteuert) Weichmacher in den Muttermund und weiteren Geburtsweg eingelagert. Beim Abbau der Hormone wird alles wieder stabil. Die Gebärmutter zieht sich zusammen, wie sie es zur Geburt auch getan hat. Die innere Schleimhaut geht verloren und wird ausgestoßen. Die überflüssige Muskelmasse und Schleimhaut werden ab- und umgebaut, um wieder zu dem kleinen festen Organ zu werden, was wir von der Besamung kennen. Dieser Umbau funktioniert so ähnlich wie eine Entzündung, denn da wird ja auch geschädigtes Gewebe abgebaut und neues, gesundes Gewebe aufgebaut. Ungefähr in der ersten Woche nach der Kalbung ist die Gebärmutter also in einer natürlichen Vorstufe zur Entzündung und es braucht nicht viel, damit es eine ausgewachsene Entzündung wird. Das Risiko ist einfach da.

Dass die Kuh aus der Scheide rötlich-schleimiges Sekret absondert, ist in der ersten Woche normal. Immer raus damit, es kann ja nicht drinnen bleiben. Fieber ist jetzt aber nicht normal. Einen Tag erhöhte Temperatur zu haben, kann passieren bei so großen Umbaumaßnahmen und ist nicht schlimm - wenn es allerdings zwei Tage hintereinander sind, sollte der Kuh geholfen werden. Darüber gab es schon einen Blogeintrag, auf den wir hier verweisen.

In der zweiten und dritten Woche nach Kalbung sollte das Sekret, was aus der Scheide läuft, immer schleimiger werden und von Rot nach gelblich-weiß umschlagen. Das ist ein gutes Zeichen dafür, dass die Umbaumaßnahmen in der Gebärmutter langsam aus der akuten, hektischen Anfangsphase in die langsamere, stabile Abschlussphase übergehen.

Ausfluss in den ersten drei Wochen sind also kein Grund für Panik und erfordern kein Eingreifen - es sei denn, der Ausfluss stinkt und der Kuh geht’s schlecht.

Überblick über die Herde!

Ab 21 Tage nach der Kalbung gucke ich gerne mit dem Ultraschallgerät zwei Dinge nach: Erstens, ob die Gebärmutterrückbildung fertig ist (ist der Normalfall), und ob der Zyklus wieder läuft. Bei einer gesunden Kuh findet man dann auf den Eierstöcken einen Gelbkörper und kleine Follikel, denn die erste Brunst mit nachfolgender Gelbkörperbildung findet in der dritten Woche statt. Wie man beim Einzeltier reagiert, falls es noch nicht ganz fertig sein sollte, hängt vom Betrieb und Einzeltier ab. Wichtig ist mir vor allem der Überblick über die Herde. Wenn eine Kuh nach Zwillingsgeburt am 21. Tag nach Kalbung die Rückbildung erst zu 85% fertig hat (erkennbar an der Dicke der Gebärmutterwand, Inhalt möchte ich da auch schon nicht mehr sehen), dann ist es ja okay und erklärbar. Wenn allerdings über 20% Kühe in Woche vier noch Eiter in der Gebärmutter haben, ist das ein schlechtes Zeichen. Irgendwas stimmt im Management oder der Fütterung nicht. Auch wenn wir „doch nichts geändert“ haben und „alles so wie immer“ machen: Eiter lügt nicht. Da stimmt was nicht.

Die Ursachensuche bei Eiter beginnt ganz platt bei zwei Punkten:

1) Milchfieber?
2) Stress?

Anna
Anna Bruhn berichtet im Blog vet facts regelmäßig über Themen aus dem Bereich der Herdengesundheit.

Milchfieber und Stress vermeiden!

Warum Milchfieber? Milchfieber ist nicht mehr, wie ich es noch kennengelernt habe - die Kuh liegt nach der Kalbung, bekommt eine Flasche Calcium in die Vene und mit einem festen Tritt in den Hintern steht sie wieder auf und die Sache ist gegessen. Milchfieber gibt es heute auch in den Varianten „unterschwellig“ und „langwierig“, wenn der Körper seinen Stoffwechsel einfach nicht hochgefahren bekommt und die Calciumgewinnung aus den Knochen stottert wie ein alter Trecker beim Starten.

Calcium ist bei Milchfieber wichtig für die Muskeln, deswegen kann sie ja nicht aufstehen und würde unbehandelt ersticken, weil sie Atemlähmung hat. Ohne Calcium ist aber auch ein Muskel wie die Gebärmutter gelähmt und wird ihren Inhalt nicht los.

Das heißt also einmal mehr: Wir prüfen die Trockensteherfütterung. Ist hier die Futteraufnahme (also die schiere Masse) wirklich ausreichend? Und verhindert diese Trockensteherration wirklich Milchfieber?

Und damit zu Punkt zwei: Stress. Schon wieder Stress, was stört der eigentlich nicht? Und wie macht er das? Ganz fieser Stress würde logischerweise bedeuten: Stecke ich meine Energie in die Säuberung der Gebärmutter oder in die Flucht vorm Säbelzahntiger? Und da hat das kurzfristige Überleben natürlich Vorrang. Säbelzahntiger sind glücklicherweise selten in Kuhställen, die Kuh sieht ihn vielleicht in einem Klauenstand lauern, aber ja nicht tagelang. Es geht also eher um geringen Stress, der die Gebärmutterbewegung und damit -Entleerung nicht komplett stoppt, sondern nur bremst. Was ist nun schlimm daran, wenn es länger dauert? Reicht es nicht, wenn die Rückbildung erst nach 5 statt nach 3 Wochen fertig ist? Leider nein! Denn es ist ja nicht nur die Gebärmutter. Sie ist ein guter Anzeiger dafür, dass auch das Muskelrohr „Magen-Darm-Trakt“, nicht ausreichend Bewegung gehabt hat. Dazu gehört auch der Pansen, und der ist bekanntlich zuständig für „läuft der Pansen, läuft die Kuh“. Gerade nach der Kalbung mit steigender Milchleistung muss so viel Kuhration wie möglich rein, jetzt ist eine Pansenlähmung total kontraproduktiv. Wer jetzt nicht genug frisst, bekommt schnell alle möglichen Krankheiten wie Labmagenverlagerung, Gebärmutterentzündung, Ketose und so weiter. Und wenn’s nicht soweit kommt, ist es immer noch doof: dann fehlt Milch, es gibt vermehrt Klauenprobleme und schlechtere Fruchtbarkeit.

Was tun?

Also wie immer die Preisfrage: wie verhindert man Stress? Da gibt’s natürlich viele Möglichkeiten und man kann das Ideal nicht so wirklich erreichen. Also warum anstrengen? Ganz einfach: Kleinvieh macht auch Mist. Wenn wir mit jeder Maßnahme dem Idealzustand 5 % näherkommen, brauchen wir ja nur wenige Dinge verbessern (einige bringen auch gleich mehr als 5 %), um ein Viertel besser zu werden. Und das in den Bereichen Futteraufnahme, Milchmenge, Gesundheit und Fruchtbarkeit - ziemlich durchschlagend!

Stress darf vor und nach der Kalbung nicht sein. Die Kuh braucht:

1. Gute Füße! Also vorm Trockenstellen unbedingt ein Check-up machen.

2. Platz: 10-12 qm oder 80 % Liegeplatzbelegung. Konkurrenzdruck ist bei Herdentieren einfach immer ein Thema.

3. Wasserversorgung per freistehender Wasserfläche: 12 cm Trogtränkenbreite pro Tier und alle 20 Kühe eine weitere Tränke, mindestens aber 2 pro Gruppe. Wasser ist auch für die Organbewegung super wichtig.

4. Futter. 75 cm Futtertischbreite pro Tier, hochwertiges Futter immer erreichbar. Also kein Heu für frische Kühe. Heu ist für Pansenkranke, nicht für Pansenlahme!

5. Die zwei Aufgaben der Trockensteherfütterung: Pansen muss so groß wie möglich bleiben, 14 kg TSA sind Untergrenze! Und Milchfieber verhindern: maximal 3% der Kühe dürfen mit Milchfieber liegen/taumeln, denn das ist nur die Spitze des Eisbergs und wir sehen pro liegender sicherlich 10 unterschwellige gar nicht.

Haltungsmanagement

Da guckt also jeder Betrieb bei sich selbst, wie wohnen die Trockenen und die Frischen denn? Ein Beispiel ist eine Beobachtungsbox, wo die Kühe ein paar Tage nach der Kalbung sind. Das ist an sich schon stressig, weil ständig die Rangordnung neu ausgemacht werden muss.

Bei vielen Wechseln (gekalbte rein/ oh hat die schon drei Tage, dann muss sie raus) ist es schnell passiert, dass keine 12 qm pro Tier vorhanden sind. Und hat man in so einer kleinen Box damals zwei Tränken eingebaut? Oft nicht, denn die Bedeutung von Wasser war gar nicht so bekannt. Kann der ganze Futtertisch genutzt werden? Müssen die Tiere über den Futtertisch rein und raus, liegt vor dem Tor schon mal kein Futter… und sind es dann wirklich noch 75 cm Trogbreite pro Tier? Das menschliche Auge lässt sich da leicht von der Gesamtlänge täuschen.

So eine Box wird, weil Kranke und frische ähnliche Anforderungen haben (gut erreichbar, am Melkstand, Liegefläche statt Liegeboxen), oft auch für Kranke genutzt. Wenn die Kranken aber Heu fressen sollen, passiert meist genau das Gegenteil: die Frischen stopfen sich mit Heu voll (fressen also keine dringend nötige Energie) und die Pansenkranken kriegen eine energiereiche Ration, die ihnen den Rest gibt. Frische und Kranke dürfen also schon aus dem Grund nicht zusammen untergebracht werden.

Natürlich geht es auch um Arbeitswirtschaft! Die Überlegung ist allerdings, ob man mit einem Kuh-zentrierten Ansatz, also alles so einrichten, dass es für die Kühe am besten ist, nicht mittelfristig mehr Arbeit spart!