- Blutung: Wenn‘s tropft, kann man abwarten. Wenn‘s im Strahl läuft, muss es genäht werden. Bis dahin: Loch zu halten/abdrücken! Egal wie, eine Klemme aus der Werkstatt tut es auch, wenn eine Wäscheklammer nicht halten will. Blutet es stark an einer Gliedmaße, kann man fest irgendwas Sauberes drumherum wickeln – beispielsweise ein Handtuch. Das geht nicht auf Dauer, weil es ja die Durchblutung stört und dann das Gewebe unter der Klemme oder dem Druckverband sterben würde. Aber bis der TA mit Nadel und Faden da ist, ist das ok.
- Aufgasung: Wenn ein Kalb oder eine Kuh plötzlich kugelrund sind und die Hungergrube links nach außen gewölbt ist, dann wird’s ernst. Spätestens wenn der Kopf ganz lang nach vorne gestreckt wird und die Atmung schneller ist als bei den anderen, ist Eile geboten: Das Tier stirbt gleich am Kreislaufkollaps. In dem Fall sollte man immer mit dem Tierarzt absprechen, was zu tun ist, während er/sie auf dem Weg ist! Das kann je nach Dramatik des Falls und den Möglichkeiten der Praxis und des Betriebs unterschiedlich sein. Also nicht gleich Auflegen, sondern Fall schildern und fragen, ob man schon was tun kann.
- Geburt geht nicht voran: In dem Fall, dass die Kuh „erst ja und dann doch nicht“ kalben will: Sofort Tierarzt holen. Morgens denkt man: „Na die wird ja kalben“. Mittags: „Oder doch nicht?“. Abends: “Naja wohl nicht“. Nächsten Tag geht’s ihr komisch und wenn man am Tag danach den TA auf dem Hof hat, rastet der völlig aus. Übergange Geburt und totes Kalb halb vergammelt in der Kuh. Da kann man eigentlich nur noch einschläfern. Auch wenn es sich von innen so anfühlt, als wäre der Muttermund einfach noch nicht weit genug offen. Das ist ganz oft eine Gebärmutterverdrehung, das arme Kalb wird da nie alleine rauskommen und dann haben wir den Salat. Wer sich bei einer Kalbung nicht sicher ist, sollte immer jemanden mit mehr Erfahrung dazu holen. Das muss im ersten Moment kein Tierarzt sein. Siehe unser Blogartikel Geburtshilfe.
- Gebärmuttervorfall: Zuerst muss geprüft werden, ob es wirklich ein Gebärmuttervorfall ist. Drückt der Darm raus, dann ist der faltig. Die Scheide kann auch vorfallen. Sie ist glatt. Nur die Gebärmutter hat dicke Knöpfe, die Plazentome. Ist die Gebärmutter ausgebracht, muss die Kuh von anderen Tieren getrennt werden. Wenn auf die Gebärmutter getreten wird, ist das fast sicher ihr Todesurteil. Wichtig ist, die Gebärmutter mit fließendem Wasser zu kühlen – also einfach einen Wasserschlauchstrahl leise darüber plätschern lassen. Wer kann, gibt gleichzeitig eine Milchfieber-Infusion. Oft genug hängen Gebärmuttervorfall und Milchfieber zusammen. Der Gebärmuttervorfall muss so schnell wie möglich behoben werden!
- Milchfieber: Hier lohnt sich ein Gespräch mit der Tierarztpraxis, denn wenn es einen Plan gibt, kann man selbst infundieren. Falls nicht: sofort anrufen, das ist ein Notfall. Der Calciummangel, der die Kuh am Aufstehen hindert, lähmt auch die Atemmuskulatur und eine nicht behandelte Kuh kann ersticken!
- Verletzung: Knochenbruch erkennen:
a. es lässt sich was bewegen, was sich so nicht bewegen lassen sollte.
b. Es knirscht oder kratzt, wie Knochen auf Knochen halt und das ist das ekligste Geräusch, was man sich vorstellen kann.
c. Es gibt einen Knick, wo keiner hingehört, z.B. wenn die Achse bei einem Bein abgewinkelt ist.
d. Wenn der Knochen rausguckt, ist es auch eindeutig. - Geburtsverletzung: Es kann auch Mal was von allein reißen, aber wenn man mit angefasst hat und es dabei reißt, ist es die eigene Verantwortung. Schleimhaut heilt sehr gut. Auch große Risse schließen sich fast immer von allein – in welchen Fällen sollte man also nähen lassen? Das lässt sich mit folgender Frage beantworten: Wenn es so, wie es gerissen ist, nach der Heilung bleibt, läuft dann immer Mist in die Scheide? Ist der Damm so schmal, dass er beim Rektalisieren (Besamung, Untersuchung) beschädigt werden könnte? Falls ja: sofort nähen lassen. Nicht morgen, sofort. Wenn man es erst am nächsten Tag bemerkt, ist es deshalb blöd, weil man die Wundränder nicht einfach aufeinander nähen kann, sondern erst was abschneiden muss damit zwei frische Wunden aufeinander kommen.
- Festliegen: Beim Beutetier Rind gehört „ich kann nicht aufstehen“ nicht zu den normalen Verhaltensweisen. Es gibt immer einen schwerwiegenden Grund! Wenn der nicht sofort ersichtlich ist, dann muss die Tierarztpraxis her. Was man sofort machen kann, wenn das Tier richtig platt liegt: Aufrichten. Jeder kennt die stabile Brustlage des Rindes. Der Rücken ist oben und die Füße untergefaltet. Nur so kann das Tier rülpsen und gast nicht auf. Gut zu wissen ist auch, ob es noch säuft und frisst. Denn das hilft auf der Suche nach der Ursache. Häufige Gründe für Festliegen sind Blutvergiftung aufgrund von schweren Entzündungen, Stoffwechselprobleme und Verletzungen.
- Festliegendes Kalb: Liegt ein neugeborenes oder sehr junges Kalb fest, ist das auch ein Notfall und erfordert fast immer tierärztliches Eingreifen. Rippenbrüche kommen bei assistierten Geburten sehr häufig vor. Es können bei Neugeborenen aber auch Missbildungen vorliegen. Junge, kranke Kälber haben oft Untertemperatur oder bekommen sie schnell, weil die eigene Regulierung (noch) nicht gut funktioniert. Es lohnt sich immer, eine Wärmelampe zusätzlich zur Kälberdecke zur Hand zu haben. Durchfallbedingte Austrocknung muss schnellstmöglich mit einer Infusion behoben werden, wenn das Kalb überleben soll.
Vet facts - Die neun schlimmsten Notfälle beim Rind
Die neun schlimmsten Notfälle beim Rind: Was sollte ich sofort tun, was besser nicht?
Ein paar Grundkenntnisse, und schon lassen sich Überlebenschancen des Tieres im Falle eines Notfalls deutlich erhöhen. Wie immer gilt natürlich, im Zweifel in Absprache mit der Tierarztpraxis bleiben. Das ist auch schon der erste Tipp: beim Anruf nicht gleich Auflegen, sondern warten ob noch Anweisungen vom Tierarzt kommen. Falls man nicht die Tierärztin am Telefon hatte, kann man ruhig um Rückruf bitten.
Fazit
Eine gute Kenntnis der möglichen Notfallsituationen und entsprechende Vorbereitung im Umgang mit Rindern ist von großer Bedeutung. Dieses Wissen kann dazu beitragen, die Gesundheit und Lebensqualität der Tiere zu schützen oder durch die Beachtung der vorgestellten Maßnahmen können potenziell schwerwiegende Folgen für die Tiere vermieden und deren Überlebenschancen erhöht werden. Man sollte auch unbedingt mit den Angestellten darüber sprechen. Auch wenn es nur ist, dass sie wissen, wen sie in welchem Fall anrufen können. Das ist schon viel wert!