Vet facts - Geburtshilfe

Geburtshilfe

In unserem Blog "Vet facts" berichtet unsere FertiPlanerin und Tierärztin Anna Bruhn über verschiedenen Themen rund um die Herdengesundheit. Heute: Geburtshilfe - wann und wie?

Dass man sich das Leben nicht unnötig schwer machen sollte, haben wir im letzten Beitrag besprochen. Also für Kuh und Kalb und die helfenden Hände! Aber ab wann muss man denn helfen? Ganz grob gesagt: am besten natürlich gar nicht - aber wenn es innerhalb von zwei Stunden nicht irgendwie weitergegangen ist, sollte auf jeden Fall geguckt werden, was da los ist. Das gilt vor allem nach dem Reißen der Fruchthülle, dann sollte doch zu sehen sein, dass das Kalb immer ein kleines Stück weiter rauskommt. Aber insgesamt hat sie dafür auch zwei, eine Färse sogar drei Stunden Zeit. Falls allerdings die Kuh länger als eine halbe Stunde heftige Wehen hat und es nicht weitergeht, muss eingegriffen werden.

Der Geburtsweg muss sich während der Kalbung weiten, das wird zwar vorher durch Hormone schon angefangen, aber richtig los geht es erst wenn das Kalb wie ein Keil von innen arbeitet: zuerst die schmalen Füße und Beine, dann die Nase und der dreieckige Kopf, dann die Schulter und so weiter.

Hinterendlage

Das ist auch genau das Problem der Hinterendlagen: kommt das Kalb rückwärts, ist es nicht so keilförmig, sondern nach den schlanken Beinen kommt plötzlich der dicke Hintern. Da kann es dann mal klemmen und wenn es eben nicht weitergeht, kann es sinnvoll sein, kontrolliert zu helfen. Das heißt, während der Wehen Zughilfe leisten und zwischen den Wehen nachgeben. Der Geburtshelfer wird schnell unterschätzt, hier wirken aber wirklich krasse Kräfte und man bricht dem Kalb sehr leicht etwas. Vor allem rückwärts darf der Zug nur in einer Linie mit dem Rücken der Kuh stattfinden und niemals nach unten gewinkelt werden. Zu leicht brechen die Rippen und man wundert sich über ein schlecht saufendes Kalb, was nach wenigen Tagen nicht mehr zu retten ist. Besser ist es also, mit zwei Personen zu ziehen statt mit dem Geburtshelfer.

Kalbung
Die Kalbung ist für kalb und Kuh anstrengend und sollte so Stressfrei wie möglich ablaufen

"10 in 10"

Dass in so einem stressigen Moment „Geduld“ ein Problem ist, ist verständlich. Trotzdem gilt bei Zughilfe „10 cm in 10 Minuten“ (15 cm sind auch okay, aber 10 in 10 kann man sich gut merken). In jedem Fall nicht hektisch werden und wenn es nicht weitergeht: Hilfe holen. Entweder jemand erfahreneres oder den Tierarzt/Tierärztin. Niemals einfach stärker Ziehen, das geht schief. Allgemein kann man sagen: wenn mit Hilfe nach 30 Minuten nicht ein guter Fortschritt zu sehen ist, braucht es jemanden mit mehr Erfahrung (das muss nicht zwangsläufig der/die Tierärztin sein) oder mehr Möglichkeiten - das wird dann die Tierärztin sein, denn ein Kaiserschnitt ist besser als zwei Stunden reißen und dann doch Kaiserschnitt. Die Überlebensrate von Kalb und Kuh ist einfach besser, wenn nicht lange probiert wurde vor der Entscheidung zum Kaiserschnitt. Zwei weitere Gründe, sich besser gleich Hilfe zu holen: wenn man nicht genau weiß, was das Problem ist oder wenn man das zwar weiß, aber nicht selbst korrigieren kann.

Genau beobachten!

Wenn die Kuh morgens angefangen hat zu Kalben oder es so aussah, als würde es bald losgehen, dann darf nachmittags auch ein Kalb da sein. Wenn nicht, ist auf jeden Fall geraten zu gucken, ob das Kalb richtig herum liegt und ob zwei Vorderfüße und die Nase zu fühlen sind.

Falls das Kalb falsch liegt, muss die Lage korrigiert werden. Es passt nur im gestreckten Zustand raus. Kommt das Kalb rückwärts, muss das dicke Becken ja zuerst durch den Geburtskanal und das kann schon mal ziemlich bremsen: hier mit höchstens zwei Personen und korrekt angelegten Geburtsstricken helfen. Also bei jeder Wehe mitziehen und zwischen den Wehen nicht ziehen.

Bei bekannten Zwillingsträchtigkeiten ein besonders wachsames Auge auf die Kuh werfen: es kommt vor, dass sich die beiden nicht einigen können wer zuerst darf – also auseinander sortieren und einen nach dem anderen holen. Vor allem den Zweiten nicht warten lassen, da die Weitung ja schon fertig ist, gilt die 10cm/10min-Regel nicht mehr! Das muss schneller gehen: liegt das zweite Kalb erstmal richtig, dann kann es zügig „entwickelt“ werden.

Bei Geburten, wo die Füße bei der liegenden Kuh schon rausgucken und beim Aufstehen wieder in der Kuh verschwinden: Tierarzt rufen. Das stimmt meistens was nicht: Das Kalb ist zu groß oder es liegt eine Gebärmutterverdrehung vor. Auch bei „ich dachte die fängt an zu Kalben, die stand schon so da, aber dann kam nichts“ muss man auf jeden Fall nachschauen, was los ist. Eine Kuh kann nicht einfach so die Geburt stoppen, um das später fertig zu machen. Das ist physiologisch unmöglich – wenn es also nicht weiter geht, dann ist irgendwas im Argen. Milchfieber, Gebärmutterverdrehung oder viel zu großes Kalb – egal, hier muss (vermutlich sogar vom Tierarzt) geholfen werden.

Hilfe annehmen ist in Ordnung!

Das wurde jetzt mehrfach gesagt – Hilfe holen bei Unsicherheit. Wenn man einmal angefangen hat, neigt man als Mensch zu „das muss doch irgendwie gehen“. Von diesem Gefühl darf man sich nicht täuschen oder leiten lassen! Es ist normal so zu denken, denn wir sind alle nur Menschen. Aber es geht darum, realistisch zu bleiben. Bin ich mir da sicher? Gut! Nein? Auch gut – dann holt man sich Jemanden dazu! Das ist dann richtig.

Viel Erfolg bei den nächsten Kalbungen!

Checkliste: Erstversorgung des Kalbes

Ein gründlicher Check des Kalbes ist wichtig. Um sich das Leben auch hier "einfacher" zu machen, haben wir eine Checkliste erstellt, die man hier runterladen kann.