Krankheiten, vor allem Seuchen, wie wir sie von Früher kennen, haben sich sehr verändert. In den letzten Jahren gab es zum Beispiel kaum noch IBR (= Infektiöse Bovine Rhinotracheitis), was die Kühe wirklich krank gemacht hat. Noch 2012 war es so, dass IBR-Tiere, mit hohem Fieber und Ausfluss aus allen Körperöffnungen, schnell gestorben sind. 2016 habe ich als Hof-Tierärztin einen ganzen IBR-Durchlauf im Amtsbezirk mitgemacht. Es waren kaum Tiere krank und trotzdem sehr, sehr viele IBR-positiv. So geht es mit sehr vielen Krankheiten. Die Zeit der tödlichen oder stark krankmachenden Erkrankungen scheint vorbei. Wenn wir heute Probleme mit bestimmten Erregern haben, dann liegt es nicht mehr am fiesen Keim, sondern daran, dass sich das Immunsystem nicht gegen den Erreger wehren konnte. Die Frage heute ist also, wie wir die Abwehrlage unserer Tiere so stark halten können, dass Ihnen nicht jeder dahergelaufene Keim Probleme machen kann.
Vet facts - Welche tierärztlichen Behandlungen kann ich mir sparen?
Fast alle. Wenn man schnell genug ist oder vorbeugt.
1. Früherkennung von Krankheiten
Moderne Monitoring- und Überwachungssysteme sind wirklich hilfreich, denn wir erkennen Verhaltensänderung und Abweichungen vom Normalzustand einfach schneller. Während wir durch den Stall gehen, reißen sich Kühe zusammen. Im Ernst, die wissen genau, dass sie am anderen Ende der Nahrungskette stehen. Man muss schon super genau gucken und die technischen Hilfsmittel sind einfach eine Erleichterung. Wenn dort etwas registriert wird, kann man mit vielen einfachen Maßnahmen oft schlimmeres verhindern. Sobald eine Kuh zum Beispiel schlecht frisst, schaut man sie sich direkt an. Oft ist es mit Drenchen und Schmerzmittel wieder in Ordnung. Wenn man nichts macht, dauert es ein paar Tage und dann entwickeln sich erst die behandlungswürdigen Erkrankungen wie Euterentzündung und Magenverlagerung.
Das gilt bei Kälbern noch viel mehr. Gerade Durchfälle und Lungenentzündung lassen sich im Frühstadium sehr gut behandeln. Oft reichen einfach Maßnahmen wie anbieten einer zusätzlichen Elektrolyttränke bei Durchfall. Wenn Kälber Wasser und Heu kennen, nehmen sie bei Durchfall einfach mehr davon auf, gleichen ihre Verluste aus und sind schnell wieder gesund. Je später wir sind, desto tödlicher sind die Verläufe. Hier bin ich gespannt, was in Zukunft noch an Monitoringsystemen kommt. Es gibt bereits gute Systeme am Markt, zum Beispiel zur Überwachung des Liegeverhaltens.
2. Bestandserkrankungen
Klassisches Beispiel ist Milchfieber, denn wenn es eine sichtbar hat, dann gibt es zehn mit unterschwelligem Milchfieber. Da alle dieselbe Ration fressen, betrifft es immer mehrere (deswegen Bestandsproblem). Milchfieber muss wirklich nicht sein, es lässt sich durch gezielte Fütterung sehr gut in den Griff bekommen. Dasselbe gilt für Ketose und vermehrte Labmagenverlagerungen. Auch Zellzahlprobleme sind so eine Sache. Und Kälberverluste natürlich auch. Klar sind Kälber anfälliger, doch wenn man den Keimdruck (also wie dreckig und fliegenbelastet es ist, wie sauber die Luft und das Einstreu ist) niedrig hält, werden messbar weniger krank (rechnet sich immer!).
3. Impfungen
Seit Corona wissen wir alle, dass keine Impfung 100-prozentig wirkt. Es gibt immer wieder Impfdurchbrüche, vor allem bei Vorerkrankungen ist das Risiko höher. Das geht unseren Kälbern auch nicht anders. Das bedeutet, wenn sie durch unpassende Haltungsbedingungen schon gestresst sind, wird eine Impfung nicht so gut helfen, wie wenn es ihnen gut geht.
Natürlich kostet es Geld, Haltungsmaßnahmen und Fütterungsverbesserung für Kälber umzusetzen. Aber wie viel? Was kostet es denn, Kälber bis zum 1 Monat nach dem Abtränken in 8er Gruppen zu halten? Könnte man nicht eine zu volle Gruppe einfach mit einem Heck mit Siebdruckplatte dran in zwei kleinere Grüppchen trennen? So dass zwischen den Gruppen kein Durchfall überfliegt und sich keiner direkt in die Nase hustet?
Wie viel guten Milchaustauscher oder aufgewertete Milch kann man tränken, wenn man dadurch ein Kalb spart? Wie viel Stroh kann man mehr einstreuen, wenn man dadurch ein Kalb mehr verkaufen kann? Ja, das kann man auch mit einem HF-Bullenkalb rechnen! Rein von den Zahlen her. Und dann haben wir den Frust und den Aufwand, den man von kranken Kälbern hat, noch gar nicht beachtet.