Vet facts - Warum werden Kühe und Rinder künstlich besamt?

Johann

Wir steigen in die Thematik der Besamung mit der Frage ein: "Warum wird eigentlich künstlich besamt?" Tierarzt Johann Haunroth gibt in diesem Blogbeitrag Antworten darauf.

Damit eine Kuh Milch gibt, muss sie etwa einmal im Jahr ein Kalb zur Welt bringen. Mit der Geburt des Kalbes setzt bei der Kuh die Milchbildung ein. Eine Kuh produziert mehr Milch, als sie für die Ernährung ihres Kalbes benötigt. Diese zusätzliche Milch nutzen wir Menschen für die Herstellung von vielerlei hochwertigen Milchprodukten, und damit für unsere Ernährung.

Eine Kuh oder ein Rind muss daher trächtig werden, um ein Kalb zur Welt zu bringen. Bei Menschen sagt man dazu Schwangerschaft, bei Rindern nennt man es Trächtigkeit.

Es gibt beim Rind zwei Möglichkeiten, trächtig zu werden. Erstens, ein Bulle „belegt“ oder „deckt“ die Kuh oder das Rind im sogenannten Natursprung, und zweitens, die Kuh oder das Rind wird künstlich besamt. Das dafür verwendete Sperma wird in Besamungsstationen von Bullen gewonnen und tiefgefroren. Dieses Tiefgefriersperma wird an Milchkuhbetriebe geliefert, dort nach Bedarf aufgetaut und dann in die Gebärmutter der Kuh oder des Rindes verbracht. Die Voraussetzung dafür ist, dass diese in Brunst sind, also befruchtet werden können. Dieses Verfahren nennt man auch künstliche Besamung oder „KB“. Beide Verfahren führen in der Regel zuverlässig zu einer Trächtigkeit. Der Natursprung kommt heute nur noch auf wenigen Betrieben vor.

Das „Sexualleben“ der Kuh und des Rindes sowie des Deckbullen reduziert sich auf den Deckakt, der in der Regel einmal im Jahr stattfindet. Ansonsten findet im Laufe des Jahres ein Sexualleben bei der Spezies Rind nicht statt. Aus tierethischer Sicht spricht daher nichts dagegen, den Natursprung durch eine künstliche Besamung zu ersetzen. Schmerzen werden der Kuh und dem Rind bei der künstlichen Besamung nicht zugefügt. Tiere, die in Brunst sind, dulden die Besamung genauso wie den Natursprung durch einen Deckbullen.

Die künstliche Besamung bei Rindern bietet eine Reihe von tiergesundheitlichen und wirtschaftlichen Vorteilen. Die Übertragung von Krankheiten während des Deckaktes durch direkten Kontakt vom Bullen zur Kuh wird vermieden, außerdem entfällt das Verletzungsrisiko für die Kuh beim Umgang mit dem Bullen, der häufig sehr unfallträchtig sein kann. Deckbullen sind keine Kuscheltiere. Sie sind schon im täglichen Umgang für das Betreuungspersonal gefährlich, erst recht aber, wenn die Bullen auf eine brünstige Kuh aufmerksam werden. Angriffe durch Deckbullen führen in den rinderhaltenden Betrieben immer wieder zu Unfällen, gelegentlich sogar mit tödlichem Ausgang.

Es gibt eine Reihe weiterer Vorteile durch die künstliche Besamung. Ein Betrieb kann das tiefgefrorene Sperma mehrerer Bullen vorhalten und dann für eine brünstige Kuh den passenden Bullen aussuchen. Der durchschnittliche Milchkuhbetrieb kann in der Regel nur einen Deckbullen halten und hat damit keine weitere Auswahlmöglichkeit. Die Bullen, die in der künstlichen Besamung eingesetzt werden, sind gesundheitlich überprüft und können auch mit dem Sperma keine Krankheiten auf Kühe und Rinder übertragen. Durch die Möglichkeit, mehrere Bullen zur Auswahl zu haben, kann ein Betrieb die am besten zueinander passenden Kühe und Bullen zusammenführen. Als Resultat einer gezielten Anpaarung werden so gesunde Kälber geboren, die später gute und gesunde Milchkühe werden, oder gute und gesunde Bullen.

Die künstliche Besamung wird von Besamungstechnikern und Tierärzten in den Betrieben durchgeführt, zunehmend aber auch durch Landwirte selbst. Sie machen einen Lehrgang, in dem sie die künstliche Besamung erlernen und noch einiges an Informationen darum herum. Sie erhalten dann eine Urkunde und sind zur künstlichen Besamung beim Rind im eigenen Betrieb berechtigt. Man bezeichnet sie dann auch als „Eigenbestandsbesamer“.

Vet facts Johann
Tierarzt Dr. Johann Haunroth ist ein Spezialist rund um die Besamung von Rindern und Kühen.