Neuer Zuchtwert beim Fleckvieh: Melkverhalten

Bild Roboter
Das Melkverhalten spielt auf vielen Betrieben eine wichtige Rolle.

Dem Melkverhalten einer Kuh wird in der Praxis große Bedeutung beigemessen. Nervöse, teilweise auch aggressive Tiere beeinträchtigen nicht nur den Betriebsablauf und den Melkvorgang, sondern stellen auch ein Unfallrisiko dar.

Bei geprüften Bullen erfolgt eine Kennzeichnung des Mangels „Nervosität“ bisher lediglich im Balkendiagramm Exterieur. Einen Zuchtwert und Informationen für genomische Jungvererber gibt es nicht. Mit der Einführung der Single-Step-Zuchtwertschätzung und Nutzung der Informationen aus FleQS hat sich dies geändert. Validierungsstudien zeigen eine ausreichende Sicherheit für die züchterische Nutzung und Einführung offizieller Zuchtwerte.

Datengrundlage

Die Erfassung des Melkverhaltens (MVH) beruht auf der Befragung des Melkpersonals. Anders als bei früher erfassten Tierverhalten resultieren die Arbeit mit dem Tier beim Melken oder die Tierbeobachtung im Melkroboter heute in viel verlässlicheren Aussagen zum MVH. Die Daten werden anhand einer Skala (Tabelle 1) erfasst. Zwecks Vergleichbarkeit der Ergebnisse über Ländergrenzen hinweg wurde die Ausprägung der einzelnen Stufen der Skala exakt definiert. „Unauffälliges Melkverhalten“ gilt als der Normalfall. Datengrundlage für die Schätzung des neuen Zuchtwerts Melkverhalten beim Fleckvieh sind die deutschen, österreichischen und tschechischen Daten aus der Nachzuchtbewertung sowie die von dem Kontrollorgan in Österreich erfassten Ergebnisse.

Tab.1
Die Tabelle zeigt die Skala, nach der das Melkverhalten eingestuft wird.

Single-Step-ZWS für MVH

Für MVH wurde eine Heritabilität von 5,3 % geschätzt. Sie ist niedriger als die bei den übrigen Exterieurmerkmalen, die zwischen 47 % (Kreuzhöhe) und 8 % (Trachtenhöhe) liegt. Wegen der niedrigen Heritabilität wird der Zuchtwert erst ab einer Sicherheit von 40 % veröffentlicht, die jedoch vom Großteil der Kandidaten und typisierten Kühe erreicht wird. Die Tabelle 2 zeigt die Zuchtwerte und Sicherheiten für ausgewählte Tiergruppen. Wegen der niedrigen Heritabilitäten sind die Streuungen für MVH geringer als in den übrigen Exterieurmerkmalen. Tabelle 3 enthält Beispiele für geprüfte Bullen unterschiedlicher Jahrgänge mit hohen bzw. niedrigen Zuchtwerten für MVH. Neben dem Zuchtwert mit Sicherheit finden sich die „gewichtete Häufigkeit und der Anteil an leicht und stark nervösen Kühen in einer Bullennachzucht. Für die Berechnung der gewichteten Häufigkeit wurden stark nervöse Kühe doppelt gewichtet. Oft hört man die Frage, ob eine Zucht auf im MVH ruhigerer Tiere zu nachteiligen Entwicklungen in anderen Bereichen wie etwa Milchleistung führen könnte. Dies hat sich glücklicherweise nicht gezeigt. Wie auch bei Brown Swiss deutet sich ein positiver Einfluss von ruhigem MVH auf die Melkbarkeit an. Zudem tendieren sehr ruhige Bullen zu höheren Zuchtwerten für Nettozunahme. Die Zuchtwertkorrelationen zum Fitnesswert sind negativ, aber sehr niedrig und nicht signifikant. Die Ausweisung eines Optimalbereichs für das Merkmal wird deshalb aktuell als nicht notwendig erachtet, die weitere Entwicklung wie beispielsweise die Auswirkung auf die Fitness wird aber im Auge behalten.

Tab.2
Die Zuchtwerte für Melkverhalten und die Sicherheit sind in Tabelle 2 für ausgewählte Tiergruppen dargestellt.

Bedachtsame Bullenauswahl

Mit dem Zuchtwert Melkverhalten bekommt der Züchter ein Hilfsmittel an die Hand, mit dem er in Richtung einer ruhigen, umgänglichen Herde züchten kann. Auch wenn die Erwartungen bei der Einführung eines Zuchtwertes häufig sehr hoch sind, sollte man auf MVH allein schon wegen der niedrigen Erblichkeit bedachtsam und unter Berücksichtigung aller übrigen Zuchtwerte selektieren.


Dies ist eine gekürzte Fassung eines Beitrags von Dieter Krogmeier und Eduardo Pimentel vom LfL-Institut für Tierzucht.

Tab. 3
In Tabelle 3 finden Sie Beispiele einiger Bullen mit dem Zuchtwert für Melkverhalten.