Die Vererbung des Hornlos-Gens ist sehr einfach, da es auf einem Genort liegt und dominant vererbt wird. Beim Fleckvieh gibt es eine zusätzliche Kennzeichnung: Bullen mit einer Hornkruste oder einem Hornansatz, der nicht mit der Schädeldecke verwachsen ist, werden in der phänotypischen Ausprägung mit „PS“ angegeben. Der Erbgang ist jedoch der gleiche; aus genetischer Sicht handelt es sich um mischerbige Tiere.
Milchvieh „oben ohne“ liegt zunehmend im Trend
Deutsche Milchviehhalter setzen stärker auf natürlich hornlose Bullen als ihre Kollegen in anderen Ländern. Diese Entwicklung resultiert auch bei den Zuchtprogrammen und dem Spermaangebot von CRV in einer stärkeren Fokussierung auf natürliche Hornlosigkeit.
Fleckvieh
In Tabelle 1 ist dargestellt, wie viele Bullen im jeweiligen Geburtsjahrgang in Deutschland, in Österreich und in Tschechien eingestallt wurden und wie viele von ihnen natürlich hornlos waren. Der Motor für diese Entwicklung ist und war die Einführung der genomischen Selektion im Jahr 2011 und der Embryotransfer. Am Beispiel der Besamungszahlen für Bayern bestätigt sich der Trend hin zu mehr hornlosen Bullen. So wurden im Januar 2012 knapp unter 5 % der Besamungen mit natürlich hornlosen Bullen durchgeführt, und im August 2021 waren es dann – in Abhängigkeit vom jeweiligen Besamungsgebiet – zwischen knapp 35 % und 55 %. Dieser Anstieg lässt sich darauf zurückführen, dass die Qualität der angebotenen Bullen – insbesondere der heterozygoten Hornlos-Bullen – heute deutlich höher ist als noch vor zehn Jahren. Der Anteil der homozygot hornlosen Bullen an allen Besamungen lag im August 2021 bei knapp 15 %.
Reinerbig oder mischerbig?
Schlüssel der Qualitätssteigerung ist der Embryotransfer. Bei den meisten Embryotransfers ist ein Hornlos-Bulle beteiligt. Außerdem gibt es bereits viele weibliche Hornlos-Nachzuchten mit einer hohen Qualität. Steht man vor Anpaarungsentscheidungen stellt sich oft die Frage: „Nutze ich einen mischerbigen oder einen reinerbigen Vererber?“ Aus CRV-Sicht geht immer Qualität vor Hornstatus. Da reinerbige Tiere zumeist nicht die genetische Qualität der mischerbigen Tiere erreichen, ist die höhere Qualität vorzuziehen, da 50 % der Tiere weiblich sind und die Basis für die nächste Generation bilden. Hier dürfen in der Qualität der Paarungen keine Abstriche gemacht werden. Weibliche Tiere mit dem Hornstatus Pp oder PP werden auch mit behornten Bullen angepaart, um die genetische Qualität zu verbessern und um das Hornlos-Gen in viele verschiedene Vaterlinien einzubauen.
Holstein
Auch im Holstein-Bereich nimmt der Anteil der hornlosen Bullen stetig zu. Laut Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung (vit) ist der Anteil an Besamungen mit Hornlos-Bullen im Jahr 2020 um 3,8 % Prozent gestiegen und beläuft sich jetzt auf 25,6 %. Betrachtet man die beiden Farbschläge getrennt voneinander, ist der Anteil bei den rotbunten Holsteins wegen des breiteren Angebots größer als bei den schwarzbunten. Hier werden in Deutschland 54 % aller Besamungen mit hornlosen Bullen durchgeführt. Aber für beide Farbschläge gilt, dass die jährlichen Zuwachsraten größer werden. Aller Voraussicht nach wird man in Zukunft bei zwei Drittel aller Besamungen PP-Bullen einsetzen – Tendenz steigend. Genauso wie in Deutschland und in den Niederlanden expandieren die Zuchtprogramme für Hornlos-Bullen auch in allen anderen Ländern. Im CRV Dairy Breeding Center im niederländischen Wirdum, wo die Bullenmütter von Morgen eingestallt werden, sind mittlerweile 50 % aller Tiere hornlos. Dies gewährleistet künftig ein breit gefächertes Angebot und ermöglicht es den Betrieben, ausschließlich hornlose Bullen einzusetzen. Gute Beispiele für neue Hornlos-Vererber der Spitzenklasse sind Floater RF Pp sowie Drone PP und Bolitar PP. Das ab dem 1 Januar 2023 geltende Transportverbot für Kälber (<28 Tage) hat zur Folge, dass künftig auch die Bullenkälber auf dem Geburtsbetrieb enthornt werden müssen. Diese Verordnung könnte dazu führen, dass Hornlos-Bullen in der Milchviehzucht noch intensiver genutzt werden.